von Dr. Jürgen Krause
Gründung des Dresdner Frauen-Ruder-Vereins am 28.5.1917
Heute ist es Normalität, die meisten Rudervereine sind offen für männliche und weibliche Mitglieder. Bei den gemeinsamen Meisterschaften finden Rennen für beide Geschlechter statt, und auch bei den Wettkampfrichtern gibt es keine Trennung mehr in Wettkampfrichter für Frauen- oder Männerrennen. Das ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, die auch in Dresden vor 100 Jahren begann.
Der Rudersport war lange Zeit eine Sportart der Männer. Ihre Vereine lehnten meist die Aufnahme von Mädchen oder Frauen ab, die auch das Rudern erlernen und ausüben wollten. So kam es Anfang des 20. Jahrhunderts zur Gründung der ersten selbständigen Frauen-Rudervereine, die 1901 in Berlin mit der Gründung des Friedrichshagener Damen-Ruder-Clubs begann. In Dresden war es der Dresdner Ruderverein, der sich der Aufnahme weiblicher Mitglieder verschloss, sodass es 1917 mit Hilfe eines Mitglieds des Dresdner RV zur Gründung des Dresdner Frauen-Ruder-Vereins kam.
Erstes Domizil war ein schwimmendes Bootshaus auf einer ehemaligen Zille (Frachtkahn) unweit des Dresdner RV an der heutigen Stelle unseres Bootsstegs. Ein weiterer Verein, der Dresdner Damen-Ruder-Club, wurde 1918 im Westen Dresdens gegründet. Diese Vereine schlossen sich dem 1919 gegründeten Deutschen Damen-Ruder-Verband (DDRV) an, der eigene Regatten und Meisterschaften durchführte und 1933 aufgelöst wurde. Seine Mitgliedsvereine wurden Mitglied des Deutschen Ruderverbandes (DRV).
Der Dresdner Frauen-Ruder-Verein entwickelte sich schnell zum größten und erfolgreichsten Frauen-Ruder-Verein Deutschlands mit 250 Mitgliedern und drei geschlossenen Schülerinnen-Abteilungen im Jahr 1942. Das erforderte 1929/30 den Bau eines steinernen Klubhauses aus eignen Mitteln und 1934 den Bau von 3 hölzernen Bootshallen zur Ablösung der Zille.
Die Wettkämpfe der Frauen fanden anfangs vorwiegend als Stilruder-Wettbewerbe in Gigs statt. Es gab aber auch Langstreckenwettbewerbe oder Rennen in Gigs und später in Rennbooten. Ab 1939 gab es selbständige Deutsche Meisterschaften der Frauen innerhalb des DRV, noch getrennt von denen der Männer, zunächst in drei Rennbootsklassen und dem Stilrudern im Gig-Doppelvierer m. Stm. Der Dresdner Frauen-Ruder-Verein verfügte nur über Gigs für die Teilnahmen an Regatten und errang in diesen u.a. vier Deutsche Meistertitel im DDRV und Medaillen im DRV. Der Krieg verhinderte die Anschaffung eines Rennbootes. Als Folge des 2. Weltkrieges wurde auch der Dresdner Frauen-Ruder-Verein als bürgerlicher Verein verboten und enteignet.
Im Bootshaus des ehemaligen Dresdner Frauen-Ruder-Vereins, das ist das Bootshaus des heutigen Dresdner Rudervereins, begannen Mitglieder, sowohl Männer als auch Frauen verschiedener früherer Vereine, deren Bootshäuser z.T. zerstört waren, ab 1946/47 mit dem Aufbau des Rudersports unter völlig veränderten gesellschaftlichen Bedingungen zunächst als FDJ-Wassersportgemeinschaft Blasewitz. Der Weg wurde als Sektionen von Betriebssportgemeinschaften bis 1989/90 fortgesetzt. 1990 wurde der Dresdner Ruderverein unter Einbeziehung der Nachfolge des ehemaligen Dresdner Frauen-Ruder-Vereins wiedergegründet, der ab 1991 dem DRV angehört.
Wettkämpfe der Frauen begannen nach 1946 sowohl im Rennrudern als auch im Stilrudern. Schnell konnte an die früheren Erfolge im Stilrudern angeknüpft werden. So gelang einer Juniorinnen-Mannschaft unseres Vereins die Erringung des DDR-Meistertitels im Mädchen-Stil-Gig-Doppelvierer m. Stm. im Rahmenprogramm der Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1951 in Berlin. Bedeutend waren die Meistertitel bei den damals noch Gesamtdeutschen Meisterschaften der Frauen 1955 und 1957 in Grünau im Stil-Doppelvierer m. Stm. im Rennboot durch Traudel Werner, Gudrun Zitzmann, Gundel Enger, Sigrid Voigt, Stm. Ursula Jentzsche bzw. Traudel Werner, Anita Günther, Gundel Enger, Sigrid Voigt und Stm. Gundula Hofmann unter ihrem Trainer Horst Werner.
Mit der Gründung des SC Einheit Dresden 1954 verlagerte sich der Leistungssport für internationale Wettbewerbe auch bei den Frauen in diesem Sportclub. Dorthin wurden die Besten aus den Betriebssportgemeinschaften delegiert. Ruderinnen des SC Einheit Dresden errangen eine große Anzahl Deutscher Meistertitel, Medaillen bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und olympischen Spielen. Aus unserem Verein gehörten u.a. Inge Schlicke, Hannalotte Schneider oder Astrid Strauch (Olympiasiegerin 1988) dazu. Eine der erfolgreichsten Ruderinnen des SCE war die 4-malige Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Einer, Christine Hahn (Scheiblich).
Mädchen- und Frauenmannschaften unseres Vereins nahmen an offenen DDR- und BSG-Meisterschaften teil und errangen viele Erfolge unter ihren Trainern Hans Pattschull und Gerhard Seifert. Ein Frauen-Achter wurde 1973 DDR-Meister der Seniorinnen C und Dagmar Patzschewitz konnte 12 Meistertitel der Seniorinnen C in allen Frauen-Bootsklassen erringen, nachdem sie aus dem SCE ausdelegiert worden war.
Nach der Wende wurde der Leistungssport neu organisiert, der SCE wurde aufgelöst. Die Aktiven, die nun in den neuen Landes- oder Bundes-Stützpunkten trainierten, blieben Mitglieder ihres Vereins und starteten unter dessen Namen. Für den Dresdner Ruderverein wurde Claudia Blasberg die erfolgreichste Ruderin mit 11 Deutschen Meistertiteln, zwei Weltmeistertiteln und 2 olympischen Silbermedaillen im Leichtgewichtsrudern. International waren die Junioren und Juniorinnen sehr erfolgreich. Anika Kniest und Sina Kühne wurden Junior-Weltmeisterinnen und bei den Seniorinnen errangen Mandy Emmrich und Anika Kniest Weltmeisterschaftsmedaillen.
Nach diesen 100 Jahren, in denen Frauen und Mädchen aus Dresdner Rudervereinen vom Wettkampfgeschehen nicht mehr wegzudenken sind, kann eine positive Bilanz gezogen werden. Dazu gehört auch, dass Ina Kalder, eine sehr erfolgreiche Rennruderin, Silbermedaille 2000 bei der Junioren-Weltmeisterschaft im Zweier o. mit Diana Albrecht, heute Vorsitzende unseres Vereins ist. Sie ist die erste Frau an der Spitze unseres Vereins nach 1945. Frauen als Vorsitzende gab es bei Dresdner Frauen-Ruder-Vereinen bis 1945, nicht aber beim Dresdner Ruderverein bis 1945.
Somit hat sich seit 1990 ein Kreis geschlossen, der 1917 mit der Gründung des Dresdner Frauen-Ruder-Vereins begann und zu einer Parallelentwicklung zweier Vereine bis 1945 führte. Nach der Zeit der Betriebssportgemeinschaften bis 1989/90, bereits mit Frauen- und Männerruderern in der gleichen Sektion, wurden beide früheren Vereine 1990 wieder in einem Verein, dem wiedergegründeten Dresdner Ruderverein, zusammengeschlossen.
Literatur:
[ 1 ] Kussatz, F.: Der Rudersport im Bezirk Dresden seit 1872, Festschrift zur 75. Dresdner Ruder-Regatta am 14.6.1964, Buchdruckerei Thieme Meißen 1964
[ 2 ] Autorenkollektiv BFA Dresden: Zur Geschichte des Ruderns in Dresden 1872 – 1989, GGVölkerfreundschaft Dresden 1989
[ 3 ] Überhorst, H.: 100 Jahre Deutscher Ruderverband, A. Piller Verlag 1983
[ 4 ] Krause, Dr. Jürgen: 120 Jahre Dresdner Ruderverein e.V., Chronik 1890 – 2010, A.& R. Adam-Verlag Dresden
[ 5 ] Krause, Dr. Jürgen: 125 Jahre Dresdner Ruderverein e.V. 1890 – 2015, Festschrift, A.& R. Adam -Verlag Dresden